Leseranlage von Niko W. aus S.

(gewerblicher Einsender)
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Es hat sich längst herumgesprochen: Einige uralte Lautsprecherchassis eignen sich hervorragend für die Musikwiedergabe im heimischen Hörraum. Viele dieser Chassis waren in Röhrenradios oder Beschallungsanlagen verbaut. Fast alle dieser Lautsprecher haben – technisch gesehen – eines gemeinsam: einen enorm hohen Wirkungsgrad. Das bedeutet, dass man mit kleinster Verstärkerleistung schon einen ordentlichen Pegel erreichen kann. Freunde von Watt-armen Triodenverstärkern kommen also voll auf Ihre Kosten.
Vor rund zwei Jahren habe ich eine Homepage gestartet, die sich den alten Schätzen widmet: www.german-vintage-loudspeakers.com

Es gibt im weltweiten Netz nur relativ spärliche und weit gestreute Informationen zu diesen Preziosen. Ein guter Freund aus Japan hat die englischen Texte ins Japanische übersetzt (die japanischen Schriftzeichen kann nur der sehen, der auf seinem Rechner auch japanische Fonts installiert hat). Überhaupt haben sich durch das Interesse an alten Lautsprechern die erstaunlichsten Freundschaften mit Japanern entwickelt. Der Zugang der Japaner zur Musikreproduktion ist ganz besonderer Natur und es ist ein besonderes Vergnügen mit ihnen zu korrespondieren und Gedanken auszutauschen.

Nicht unerwähnt lassen darf man die Gehäusebauweise der alten Röhrenradios und auch der meisten alten Lautsprechergehäuse: Es gibt nämlich gar kein Gehäuse! Zumindest nicht im Sinne des zeitgenössischen Lautsprecherbaus. Röhrenradios hatten eine perforierte Rückwand aus Pappe, Lautsprecher-“Boxen“ aus dieser Zeit waren ebenfalls rückseitig mit gelochten Pappen versehen oder mit Stoff bespannt. Der Zweck der Abdeckung auf der Rückseite hat einen ganz pragmatischen Grund: Man kann im Falle von Radios nicht so ohne weiteres an spannungsführende Teile gelangen. Die Abdeckung mit Stoff auf der Rückseite von Lautsprechern sollte vor allem verhindern, dass Staub eindringt (das leuchtet spätestens dann ein, wenn man sich die Zentrierung mancher alter Lautsprecherchassis ansieht: die heute weit verbreitete großflächige Textil-Zentrierspinne verhindert, dass auf der Rückseite des Chassis Staub eindringen kann. Das war bei vielen frühen Chassis anders. Für die Zentrierung waren hier filigrane und offene Pertinaxspinnen zuständig – der Luftspalt ist bloßgelegt und ungeschützt).

Die alten Radios waren also im Grunde genommen offene Schallwände. Dieses Prinzip – auch das hat sich längst herumgesprochen – bietet in mancher Hinsicht Vorteile gegenüber den bekannten Lautsprechergehäusen. Selbstverständlich gibt es auch Nachteile. Keine offene Schallwand, die mit einem 20 cm Breitbandlautsprecher bestückt ist, wird je in der Lage sein einen tiefen Bass zu reproduzieren. Hier setzt die Physik Grenzen. Andererseits ist das Klangbild einer solchen offenen Schallwand atemberaubend „luftig“, vorausgesetzt , dass auch ein vernünftiger Treiber eingebaut ist. Es gibt keine Probleme mit Kompressionen oder Resonanzen wie es sie in herkömmlichen Gehäusen geben kann.

Nun ist es beileibe nicht so, dass ein uralter Breitbänder automatisch ein gut klingender Treiber ist. Mitnichten! Es gibt wirklich schrecklich klingende alte Lautsprecher, die man guten Gewissens nur als Hupe unter der Motorhaube gebrauchen kann. Andererseits gibt es hervorragend klingende Breitbänder aus der Zeit zwischen 1938 und ca. 1975. Das entscheidende klangliche Merkmal dieser – ich nenne sie mal – „guten“ Breitbänder ist eine Mittenwiedergabe, die ihres gleichen sucht. Im Vorwort zu meiner Homepage gehe ich kurz darauf ein, dass die Mittenwiedergabe absolut entscheidend für den Klangeindruck eines Lautsprecher ist. Wie Paul Klipsch es formulierte: „The midrange is where we live.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich stelle hier eigentlich zwei Anlagen vor. Beide sind grundverschieden.
Die zentrale Komponente der ersten Anlage ist ein koaxiales Lautsprecherchassis der ehemaligen Ostberliner Firma Schulz. Dieses Chassis geht letztendlich auf eine Entwicklung des legendären Toningenieurs Hans Eckmiller zurück. Eckmiller war u.a. einer der führenden Köpfe der Klangfilm GmbH (Bereich Ton), gab aber auch richtungsweisende Eigenentwicklungen bei der Berliner Firma Konski&Krüger in Auftrag. Eine seiner herausragenden Schöpfungen war der koaxiale Feldspulenlautsprecher O 15, der in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von der oben erwähnten Firma Konski&Krüger gebaut wurde.

Der Schulz 315 (Korbdurchmesser 315 mm) ist weltweit in seinem Aufbau einmalig. Die Membrane des Tieftöners wird komplett von einer Filzmatte abgedeckt. In der Mitte ist eine 5 cm große Aluminiumkalotte mit eigenem massiven AlNiCo-Antrieb befestigt. Die Wiedergabequalitäten dieses Chassis sind jedenfalls überragend! Ursprünglich war für den 315 ein ca. 130 Liter Bassreflexgehäuse vorgesehen. Da ich „Gehäuse“ nicht mag, habe ich diese Vorgabe ignoriert. Er klingt in einer offenen Schallwand sehr gut, für meine Ohren klingt er darin sogar so, als sei er dafür prädestiniert. Da ich immer schon auf der Suche nach einer offenen Schallwand war, die mir auch die komplexesten Fortissimos eines großen Orchesters in den Raum pumpen konnte, entschloss ich mich, die Schulz mit zwei 18 Zöllern zu kombinieren. Die 18er werden jetzt über zwei Aktivweichen angesteuert. Die Verstärkung für die Basslautsprecher übernehmen zwei Transistor-Studioendstufen der Stuttgarter Firma Klein & Hummel. Die Schulz – nicht eben mit dem exorbitanten Wirkungsgrad der frühen Breitbänder gesegnet – werden von einer Raphael Stereo 25 Endstufe versorgt. Rund 12 Watt pro Seite, generiert von zwei EL84 im push-pull Betrieb, sind für die Schulz völlig ausreichend.

Die zweite Anlage ist, wie oben angemerkt, eine vollkommen andere Geschichte. Hier verstärken zwei 300B-Monoblöcke des Aachener Verstärkerbauers Reinhard Thöress das Signal für zwei 20 Zentimeter große fremderregte Breitbandlautsprecher, die so um 1950 – eher früher – gebaut worden sind. Fremderregt – was ist das? Lautsprecherchassis, so wie wir sie heute kennen, haben einen Magneten. Früher gab es aber auch Lautsprecher, die eben keinen Magneten als Antrieb hatten, sondern eine Spule, die rückwärtig an Stelle des Magneten auf dem Korb saß. (Feldspulen-Lautsprecher erleben übrigens eine Renaissance, da die Technik per se handfeste Vorteile bietet. Das soll aber nicht heißen, dass die alten Feldspulenlautsprecher grundsätzlich besser klingen als ihre permanentmagnetischen Brüder). Diese Spule muss, um ein magnetisches Feld zu „erregen“, mit Gleichstrom gespeist werden. In unserem Fall sind etwa 70 VDC ausreichend, um den verbauten Treiber einerseits auf Trab zu bringen, andererseits niedrig genug, um den Backlackdraht der Spule nicht durch zu große Wärmeentwicklung zu beschädigen. Der hauchdünne Papierkonus des verwendeten Treibers weist eine extrem tiefgezogene Nawi-Form auf, was erfahrungsgemäß der Hochtonwiedergabe zu Gute kommt.

Und hier sind wir schon bei einer der auffälligsten Eigenschaften des 20ers: die Hochtonwiedergabe. In all den Jahren, in denen ich mich mit historischen Breitbändern beschäftigt habe, bin ich auf exakt zwei Exemplare gestoßen, die nach meinem subjektiven Empfinden KEINEN zusätzlichen Superhochtöner brauchen: einer ist britischer Herkunft, der andere ist dieser hier. Selbstverständlich kann er keinen Tiefbass und keinen „Real-Punch“ liefern. Aber die Qualität der Hochton- und natürlich die der Mittenwiedergabe ist bemerkenswert. Da wir es hier mit einer echten „one-point-source“ zu tun haben, können die beiden Lautsprecher ohne weiteres bis auf 1,2 Meter an die Ohren herangerückt werden. Das sind Nahfeldmonitore reinsten Wasers! Dank der großzügigen Abmaße der offenen Schallwand bleibt die Basswiedergabe durchaus nicht auf der Strecke! Sitzt man einmal nah davor, vermisst man eigentlich nichts. Dieser Lautsprecher zeinet sich aus durch wunderbare tonale Balance und – vor allem – durch fast völlige Verfärbungsfreiheit. Die Neigung zur Verfärbung ist bei vielen Breitbändern ein Problem: Sie mögen quakig oder gepresst klingen. Dieser hier tut das nicht.

Die Anlage besteht zur Zeit aus folgenden Komponenten:

  • Plattenspieler: Voyd „The Valdi“ mit Rega RB300 und Denon DL103R
  • Vorverstärker: Raphael Audio Orthophonic VII
  • Endstufen A: Raphael Audio Stereo 25 (EL84 PP)
  • Endstufen B: Thöress 300B SE
  • Endstufen C: Klein & Hummel A 60/N (für 18 Zöller)
  • CD Player: Rega Planet 2000
  • Regelbares DC-Netzteil für Feldspulen-Lautsprecher: Sonderanfertigung
  • Aktivweichen: Subway-X Thommessen (eine Stereo-Röhrenaktivweiche von Valeur Audio ist in Vorbereitung)

Lautsprecher:

  • 1. Offene Schallwand mit Schulz Studio-Kombination TH 315/1, kombiniert mit 18 Zoll Beyma Basstreibern
  • 2. 20 cm Breitbänder um 1950, fremderregt mit rund 70 VDC

Mit besten Grüßen,
Niko W. aus S.

www.german-vintage-loudspeakers.com