Leseranlage von Herrn Mack

Leseranlage – selbst restauriert, selbstgebaut, selbst ersteigert

 

Vor Urzeiten – ich glaube, es muss im letzten Jahrhundert, noch zu Zeiten der HiFi Exklusiv, Gott hab‘ sie selig, gewesen sein – hat Roland Kraft schon einmal ein Selbstbauprojekt, garniert mit ausführlichen Hinweisen aus der Praxis, vorgestellt. Es ging um Raphael-Röhrenendstufen, und sie schlugen sich, wenn ich es noch richtig weiß, überaus ordentlich im Vergleich zu Fertiggeräten. Warum also nicht Verstärker selber bauen? Meine blau-gelben Möbel baue ich doch auch selber zusammen! Oder andersherum: Warum sollte ich selber bauen? Gibt’s Gründe dafür, abgesehen vom Preis? Oder ist der Preis überhaupt ein Grund?

 

Fangen wir hinten an. Je nach Vollständigkeit, Ausgefeiltheit und Vorfertigungsgrad des Bausatzes kann der Preis ein Argument sein. Je weniger von allem desto billiger. Logisch. Je wertvoller die Bauteile, je vollständiger, auch hinsichtlich Kleinigkeiten, d.h. Schrauben, Schräubchen, Abschirmblechen, Gehäuse, Füßchen, Söckelchen, Buchsen und all dieses Kleinkrams ein Bausatz ist, desto höher ist natürlich auch der Preis. Ein stabiles, schönes, vielleicht schon mit allen notwendigen Löchern und Aussparungen versehenes Gehäuse kann durchaus eines der teureren Teile eines Bausatzes werden. Bezieht man die eigene Zeit für den Bau ein, ist die Preisregion von Fertiggeräten ganz klar erreicht. Am unteren Ende rangieren Bausätze, die Röhren, Trafos, Schalt- und Bauplan bereithalten, plus ein paar halbwegs solide Widerstände und Kondensatoren – und das war‘s. Alles selber zusammensuchen kommt wohl kaum billiger. Das ist die Bandbreite, die durchaus einen Kostenunterschied Faktor fünf und mehr ausmachen kann. Wenn der Preis also der springende Punkt sein soll, sollte man wissen, wie man Bauteile zueinander anordnet, miteinander verschaltet, fehlende Komponenten oder solche besserer Qualität selbst findet, beschafft und nachrüstet. Auch sollte man sicher den Bau eines Chassis und Gehäuses beherrschen und, nicht zu vergessen, jede Menge Zeit mitbringen.

 

Aber geht es überhaupt um den Preis? Mir ging es nicht darum, sondern mir hat sich einfach eine Chance aufgetan: Ich habe schon als kleiner Junge gelötet und Verstärker und Radios gebaut. Erinnert sich noch jemand an den Kosmos Radiomann? Ja? Noch heute hüte ich in einer Vitrine die allerletzte dieser urigen Universalklemmen, die all die Jahre und Jahrzehnte irgendwie überlebt, alle Umzüge überstanden hat und nun aus den Tiefen der hintersten Krabbelkiste wieder zum Vorschein gekommen ist. Tja, und als nun Amerika auch mal „Ich bin pleite“ spielte und der Dollar sich im Sturzflug übte, wurden die Kits von Audio Note – naja – nicht gerade billig, aber doch gut machbar. Also los, bestellen wir eine Vorstufe L2 Phono und die L4 EL34-Push-Pull-Endstufe. Ich hatte nämlich einen alten Thorens TD 145 aus der Ebay geholt und aufgefrischt, Vinyl ist mir eh lieber als CD, und da kommt mir der L2 Phono gerade recht!

 

Im Klartext: Wer sich mit Gedanken an Selbstbau trägt, sollte ein paar Dinge beherzigen. „Beherzigen“ heisst hier be-HERTZ-igen, weil diese Geräte, es handelt sich ja um Röhrengeräte, bekanntlich mit Spannungen von etlichen 100 Volt arbeiten, im Verein mit Leistungen, die das Herz eines Menschen auch unter mittelmässig ungünstigen Bedingungen mit links aus dem Tritt bringen. Also Vorsicht! Sie sollten wissen, was sie tun und warum sie es tun, bei jedem Schritt! Dazu gehören natürlich die üblichen Ratschläge wie z.B. alles nochmal checken und am besten noch eine Nacht drüber schlafen. Dann, wenn es soweit ist und das Gerät – noch offen – unter Spannung steht, immer eine Hand in der Hosentasche. Das gilt sogar noch, wenn das Gerät wieder ausgeschaltet und vom Netz getrennt ist, denn die dicken Elkos können die Spannung ewig halten! Gerät und Frau/Mann stehen auf einer Isoliermatte und jede Art von Feuchtigkeit ist Lichtjahre entfernt, sogar der Kaffee. Vor allem der. Er ist nämlich nicht nur potentiell tödlich, sondern auch noch hässlich auf den Trafos und Röhren, wenn man ihn vor Schreck reinkippt.

 

Außerdem sollte man Löten können. Nicht „mal eben so“, gelernt beim Verlegen der Wasserleitung im Garten, sondern an leibhaftiger Elektronik. Wenn man das beherrscht, kommt der nächste Schritt: Silberlot. Denn diese Geräte werden mit Silberlot gelötet. Sollte man also können, und zwar aus dem Effeff, weil sich silbergelötete Fehler kaum noch und wenn, dann nur unschön, korrigieren lassen.

 

Ach ja: Schaltpläne lesen und verstehen wäre auch noch hilfreich. Das heißt, ein bisschen Röhrenverstärker-Grundwissen wäre schön. Manchmal, wie ich gleich zeige, sogar unabdingbar.

 

Überraschenderweise waren die Import- und Zollformalitäten gar nicht so wild, aber etliche Wochen hat’s halt doch gedauert. Dann: ich komme nicht mehr zur Haustür rein, zwei Riesenkartons versperren den Zutritt. Na endlich! Auspacken, anschauen, befummeln: geiles Zeug! Ja, die Audio Note-Kits gehören in der Tat zum oberen Ende! Die Bauteilequalität, angefangen bei den tonnenschweren Trafos, den Mundorf-Kondensatoren, Metallfilmwiderständen, Elma-Switches, Silberkabeln bis hin zu den vergoldeten schweren Knöpfen und den schon vorgefertigten Gehäusen, ist wirklich schlicht exzellent, da kann man nicht meckern. Im Prinzip. Das eine oder andere Loch habe ich dann doch noch nachbohren oder mit einer Unterlegscheibe verkleinern müssen und sonst noch ein paar Ungereimtheiten – aber okay, ich denke, die Audio Notes gehören wirklich zu den besten!

 

Die nächsten Wochen hängt sich meine Familie ein Bild von mir an den Kühlschrank. Oder wer ist der Mann, der da manchmal aus dem Keller kommt und gleich wieder weg ist, bleich und unrasiert? Murmelt immer so komisches Zeug wie: „Jetzt muss ich schon wieder zum Baumarkt und M6 Spacer holen!“, oder: „Verdammt, wo habt ihr wieder meinen Schraubenzieher hin?“. Doch, diese Bauphase ist schon sehr, sagen wir, intensiv! Ich bin ein strukturierter Mensch, was mir hier sehr hilft. So gehe ich grundsätzlich nach dem folgenden Schema vor: Platine raussuchen – nach Packliste die zu dieser Platine gehörigen Widerstände raussuchen und abhaken. Alles da? Nichts da, was keinen Platz findet? Alles auch auf dem Schaltplan zu finden? Alles plausibel? Widerstandswerte werden nicht nur abgelesen sondern auch sicherheitshalber exakt nachgemessen und, wo aus der Schaltung ersichtlich, nochmal gematched.

 

Apropos „auf dem Schaltplan zu finden“: Für das Netzteil des L2 waren entschieden zu viele und vor allem andere Teile da als vom Schaltplan vorgegeben. Was dazu führte, dass ich von der Platine ausgehend den Schaltplan zurückentwickelte, um überhaupt zu verstehen, was diese Änderungen bewirken sollten. So etwas ist wichtig, um nicht nachher irgendwelche komischen Überraschungen zu erleben, die einem durchaus auch einmal einen Elko um die Ohren fliegen lassen können. Im Ernst: Im Schaltplan des L4 war einer falsch gepolt eingezeichnet! Und die Heizspannung der Phonovorstufe war in der Anleitung so beschrieben, dass man – wenn man dieser ohne nachzudenken folgte – das schöne Netzteil kurzgeschlossen hätte. Paff, Ende! Wie gesagt: Wisse immer, was du tust und warum! Das ergibt schon Sinn, doch!

 

So, dann die nächsten Schritte: die Widerstände immer ungefähr zu sechst auf die Platine stecken, Farbcode immer in die gleiche Richtung und einlöten. Dann das gleiche mit den Kondensatoren. Am Schluss die Röhrensockel – und zwar gerade bitte! Sonst stehen die Röhren nachher krumm und schief im Gäu, und das sieht unschick aus!

 

Wenn die Platinen fertig sind, wird’s kompliziert: man muss sich nämlich genau überlegen, welche Bauteile und Schaltkreise man in welcher Reihenfolge im Gehäuse versorgt, weil man später nur noch schwer drankommt. Es ist durchaus nicht verkehrt, hierzu sogar einen schriftlichen Plan anzufertigen. Heute, ehrlich gesagt, würde ich abweichend von der Anleitung Buchsen, Poti, Schalter, Switches gleich zu Anfang einbauen und sogar gleich verkabeln, denn später ist das stellenweise eine elende Fummelei.

 

Aber dann ist es geschafft. Das erste Einschalten, Stück für Stück: erst das Netzteil, unter Kontrolle der Ausgangsspannungen und ohne die folgenden Verstärkerteile, dann beim L2 die Line-Stufe, Kontrolle der Kathoden- und Anodenspannungen, dann die Phonostufe. Der allererste Test aber geht immer so: Schalter On – Off! Hat’s gequalmt? Gezischt? Irgendwas komisch? Irgendwas sehr heiss? Nein? Dann länger „on“: glimmen die Röhren? Ahhh – jaaaa – hmm! Und ja nicht vergessen: die Endstufen haben beim Test immer vier bis acht Ohm-Hochlastwiderstände am Ausgang – sonst knallt’s unter Umständen! Röhrenverstärker dürfen – anders als Transistoren – nicht offen betrieben werden.

 

Tja, und dann folgt der Hörtest.

 

Und, wie klingt sie nun, so eine Thorens-Audio Note-Kette? Ach, ich vergaß, meine Lautsprecher vorzustellen: Gestatten, Lua. Lua con Fuoco. Die Schnelle mit dem Feuer. Ja, und diese Kette klingt schon toll, einfach phantastisch. Ja, was glauben Sie denn, was ich sonst sage? Ich hab das Ding doch selber gebaut! Und genau das ist der Punkt. Nicht das Geld. Sondern die intensive Beschäftigung mit dem Gerät, mit der ganzen Kette. Hier muss ich leider meine Ansichten zum Thema Hörpsychologie zum Besten geben, und das wird niemandem gefallen, aber sowas von.

 

Also, Provokation Nummer eins: man erinnert sich nicht an Klänge. Natürlich erinnert man sich an den Klang z.B. einer Vogelstimme, eines Musikinstruments, eines Konzerts, einer menschlichen Stimme. Aber man erinnert sich nicht wirklich an den Klang einer Box A im Unterschied zum Klang einer Box B. Oder Anlage A gegen Anlage B, es sei denn, die Unterschiede sind wirklich immens. Und man erinnert sich schon gar nicht an diesen Unterschied über eine Zeit zwischen Besuchen bei etlichen Händlern hinweg. Demzufolge – Provokation Nummer zwei – kann man Komponenten und Anlagen gar nicht wirklich im Hörtest vergleichen, außer im direkten A/B-Vergleich, wenn’s geht sogar im Blindtest. Ich fürchte, die Ergebnisse wären erschreckend und enttäuschend. Man wüsste gar nicht mehr, was man nun toll finden will und was nicht. Deswegen macht ja auch niemand Blindtests. Schon mal aufgefallen? Tja.

 

Und wo ist jetzt der Fehler? Ganz einfach: man erinnert sich zwar nicht an den Klang, wohl aber an die eigenen Gefühle, das gesamte Stimmungsbild, das man beim Hören erlebte. Das ist durchaus transportabel. Dummerweise wird es aus Eindrücken von allen Sinnen gefüttert, auch des Sehens – uuiii, diese tollen Goldknöpfe! Maaann, ist die Endstufe fett! Schon mal aufgefallen? Tja. Und natürlich auch: Aahh, sind die Röhren schön! Und des Schmeckens. Da gab’s doch mal einen Herren, der, befragt zum Thema High-End, ein Whisky-Abitur vorschlug … Recht hat er! Und das nette Mädel, das mir nun schon den zweiten Kaffee bringt – aber nein, das geht jetzt zu weit! Glauben Sie? Schon mal drauf geachtet? Tja. Ach ja, und natürlich spielt auch das Hören eine Rolle. Auch.

 

Wie also, um Himmels Willen, soll man denn nun „seine Anlage“ auswählen? Sorry, ein Rezept habe ich nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, wie ich es gemacht habe. Vermutlich muss jeder seinen eigenen Weg finden, und das ist schon der erste Schritt. Ich gehe davon aus, dass es um die Intensität der Beschäftigung mit dem Thema, den Geräten und der Anlage geht. Also: Hören Sie, so intensiv, so oft und so viel Sie können. Lernen Sie hören, üben Sie, hören Sie so viel unterschiedliche Geräte wie es geht, trainieren Sie Ihren Hörsinn. Hören Sie auch, wie Räume klingen: große Räume, kleine Räume, lange, breite, hohe, leere, volle, totgedämmte, hallige – alles, was Sie vor die Ohren kriegen. Gehe Sie in Konzerte. Spielen Sie ein Musikinstrument. Und dann nehmen Sie die Anlage, die Sie vielleicht schon haben, modifizieren Sie sie und hören Sie. Widerstehen Sie der Versuchung, immer wieder ins Blaue hinein Komponenten oder Kabel zu wechseln, denn dann ist es jedesmal eine andere Anlage. Versuchen Sie lieber, genau herauszukitzeln, was jetzt fehlt. Hören Sie mit allen Sinnen, bis es Ihnen klar wird. Und es wird klar! Dann verändern Sie, was der Veränderung bedarf. Nähern Sie sich so einer Balance, einem Gleichgewicht, an, wie ein gutes Musikinstrument ausbalanciert sein muss. Denn was Sie da haben, ist ein Musikinstrument – es re-produziert, wiedererschafft Musik! Das wollen wir doch, nicht? Es geht dabei nicht um die beste Anlage der Welt – die gibt’s eh nicht, ist auch unwichtig. Aber das Gleichgewicht, das eine Anlage wirklich zum Singen bringen kann, zum Klingen, zum Strömen – schauen Sie, ob Sie das hinkriegen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Versuchen Sie das nicht unbedingt mit irgendeinem Zischrumms-Spielzeug aus dem Ich-bin-ja-so-blöd-Laden, das ist Unfug. Ein gewisses Potential muss schon vorhanden sein. Wissen Sie was? Bei mir war es das Umlöten meines Thorens von den uralten längst verdreckten Lötstellen Tonarmkabel/externes Kabel auf eine neue Platine mit sauberem Silberlot. Streben Sie, streben Sie hin zum Schönen, zu Ihrem echten, wahren Klang – darum geht es. Dies ist nur durch intensive Auseinandersetzung zu erreichen. Und nicht mit Geld zu bezahlen.

 

Unter Verwendung von Fremdwörtern heißt das: Ich postuliere hiermit die Abkehr von einem objektivierbaren, extrinsischen Verständnis von HiFi, basierend auf (pseudo-)wissenschaftlichen Grundlagen hin zu einem subjektiv erlebten, nicht objektivierbaren, intrinsischen Verständnis unter Nutzung eben derselben mehr oder weniger wissenschaftlichen Grundlagen. Statt „äußerer Weg“ der „innere Weg“. Dieses Kind hat sogar einen Namen, und das ist die dritte Provokation: Esoterik. Und das ist wohl endgültig zu viel.

 

Also doch noch ein bisschen HiFi-Sprech: im direkten A/B-Vergleich zu meiner Quad-Kette – und nur der ist sinnvoll, siehe oben – klingt diese Kette extrem musikalisch. Die Quad lässt mich am Fenster stehen, lässt mich gelassen nach draussen schauen, zeigt mir die Musik, entspannt und so wie sie ist, wenn’s sein muss auch stundenlang. Ein bisschen monitorartig vielleicht, professionell. Diese Kette aber reißt das Fenster auf, saugt mich raus, mitten rein in die Musik, in den Rhythmus, ich muss einfach mit, kann nicht stillhalten, und sie fragt noch nicht mal um Erlaubnis. Tatsächlich war das die allererste Assoziation, die sich mir aufdrängte: die fragt noch nicht einmal, die macht einfach! Das auffälligste ist der Klangfarbenreichtum und eine Rhythmik, in die man sich einfach hineinfallen lassen möchte. Ich denke, das hat mit der immer wieder mal zitierten Zeitrichtigkeit zu tun, bewirkt durch minimierte Phasenverschiebungen, d.h. wenig Gegenkopplung in der Elektronik, geringe Dämpfung der Box, hoher Wirkungsgrad, so dass die Kette schnell wird, richtig schnell. Daher auch die Lua con Fuoco. Ursprünglich wollte ich ja meine heißgeliebten Quad Vollbereichs-Elektrostaten anschnallen, doch für mich fühlt es sich so an, als ob diese Kette Klangkörper braucht, reale, klingende Körper – eben Musikinstrumente! – und nicht nur eine quasi-masselose Membran ohne Gehäuse. Auch daher die Lua. Ob man mit dieser Kette stundenlang hören kann? Ich weiß nicht. Man muss es mögen. Ist halt sehr emotional. Wie ich. Ist ja auch meine Kette. Wie wär’s? Wann bauen Sie sich Ihre?