Leseranlage von Hannes G. aus S.

„Du hast mal echt ’nen Vogel!“, sagen meine Freunde, wenn ich mal wieder von meiner Anlage und dem ganzen unverzichtbaren Zubehör spreche. Nun ist es aber so, dass ich erst 26 Jahre alt bin und im Gegensatz zu meinen Freunden das Geld dann doch lieber für den Ausbau meiner Anlage spare, als in wochenendlichen Gelagen in den Bars und Kneipen meiner Stadt zu vernichten (wenn die allerdings auf Einladung stattfinden, fehle ich natürlich nicht …).
Es fing, wie wahrscheinlich bei allen von euch auch, ziemlich harmlos an. Das Jugendweihegeld wurde erst mal in einen Plastikturm inklusive Dreifach-CD-Wechsler von AIWA gesteckt; sogar mit Dolby Surround aus formvollendeten Plastikboxen. Das Ding hatte sogar ein Radio UND noch zwei Kassettenlaufwerke – High-End pur! Das war’s für mich damals wirklich.
So hörte ich mehrere Jahre lang Musik und war eigentlich doch recht zufrieden. Als ich mich dann aber mit 18 Jahren dazu entschied, von zu Hause weg zu gehen um 600 km entfernt meinen Zivildienst anzutreten, überließ ich meinen „HiFi-Turm“ für 50 Mark meinem Vater, damit er seine Werkstatt beschallen konnte. Ich muss dazu aber sagen, dass nur noch das Radio funktionierte – der CD-Wechsler gab nach zwei Jahren den Geist auf, kurz darauf auch beide Kassettenlaufwerke. Nun war ich also ganz ohne Musik.
Meinen Fernseher nahm ich zwar mit, doch das reichte auf Dauer irgendwie nicht, da das Programm schon damals immer bekloppter wurde. Ich sparte mir also drei Monate mein Zivigeld zusammen, ernährte mich nur von Suppen und los ging‘s zum hiesigen Elektronik-Großmarkt. Jetzt ist Schluss mit diesen blöden Türmen! Ich will einen Verstärker! Ja, den Sony da. Nein, nein, den stärkeren, mit mehr Watt! Mein erstes eigenes Geld sofort für einen Verstärker ausgegeben – ja, so muss das sein!
Da ich natürlich noch Boxen brauchte und überhaupt nicht mehr von diesen Plastikeimern angetan war, begab ich mich auf die Suche. Man glaubt ja nicht, wie frustrierend es ist, einen neuen Verstärker OHNE Boxen im Haus zu haben! Die Misere dauerte ungefähr eine Woche, bis ich fündig wurde: In einem Elektronik-Bastelladen, der auch Boxenbau-Utensilien anbot, erzählte ich dem Verkäufer, dass ich gute Boxen für maximal 300 Euro brauche. Er meinte, dass da noch welche im Lager ständen, die sein Chef wohl mal gebaut hat und er erst mal mit ihm reden müsste, um herauszubekommen, ob der die guten Stücke überhaupt verkaufen will. Da wären wohl echt gute Chassis drin und die Gehäuse astrein gebaut. Er hätte mir zu diesem Zeitpunkt wohl auch erzählen können, dass die Boxen 20000 Mücken wert wären und die besten Chassis der Welt darin verbaut – ich hätte es geglaubt. So wenig Ahnung hatte ich. Ich sollte am nächsten Tag wieder kommen. Was ich natürlich auch tat und somit meine ersten vollwertigen Standboxen bekam. Wow! Schwarz. Groß. Schwer. Und sogar aus Holz! Problem war nur, dass der Chef 400 statt 300 Euro haben wollte. Naja, dann ess‘ ich halt wieder Suppe. Ich überzog also mein Konto, borgte mir den Zivibus für den Transport aus (sorry, Caritas!) und war mehr als glücklich.
Die Boxen waren auch für meine damaligen Verhältnisse (Sony-Verstärker) wirklich gut und im nachhinein bin ich sehr froh, dass ich damals nicht übers Ohr gehauen wurde und sie wirklich einen schönen Klang hatten. Das war für mich auch die erste Zeit, in der ich vom Klang sprach. Als Quelle musste übrigens erstmal mal mein 30-Euro-DVD-Player von Samsung herhalten.
Ab diesem Moment war ich infiziert und fortan ständiger Gast bei den „echten“ HiFi-Händlern meiner neuen Stadt. Die Händler merkten natürlich recht schnell, dass ich so gut wie kein Geld hatte, nur zum Glotzen vorbei kam, oder um mein Wissen aus HiFi-Zeitschriften (die konnte ich mir noch leisten) mit ihnen teilen zu können und sie ständig mit irgendwelchen Fragen über die verschiedensten Geräte zu löchern. Dies ging dann etwa ein halbes Jahr so. Dann war es wieder soweit.
Wie jeder Infizierte suchte ich nach dem schwächsten Glied in der Kette, um den Klang zu verbessern. Ich musste also meinen Verstärker los werden. Denn am Player konnte es ja nicht liegen; die sind ja alle digital und haben somit den gleichen Klang (das dachte ich wirklich). Wie der Zufall so spielte (na ja, eher knallhart kalkuliert) bekam ich mein Zivi-Ablösegeld und hatte komischerweise sogar eine Lehrstelle gefunden. Gottseidank! Also fuhr ich zum Händler, haute ihm 800 Euro auf den Tisch und bezahlte davon meinen ersten Plattenspieler, ein Pro-Ject Xpression, und zahlte auch gleich meinen neuen Verstärker namens NAD C372 an; die Lehrstelle zum Abzahlen des Verstärkers hatte ich ja nun. Damit war nun auch meine Vinyl-Leidenschaft geweckt und ich fing an, dank toller Anlage, mein Lehrgehalt in Schallplatten zu stecken. In den nächsten Jahren bin ich dann aber von Suppe mit Brot auf Reis mit Tomatensoße umgestiegen, um meine Platten zu finanzieren … Kurioserweise entschieden sich meine Arbeitgeber, mich zu übernehmen. Jetzt konnte es losgehen! Es dauerte nicht lange und ich schoss bei einem Auktionshaus nagelneue Dynaudios (Audience 72) für die Hälfte des Preises. Mein erstes richtiges Gehalt war weg und ich dafür sehr, sehr glücklich …
Die nächsten drei Jahre kamen noch ein Röhrenvollverstärker von Copland, der Phonoverstärker NAD PP2, ein Clearaudio Smartphono, ein Heed Questar und etliche Kabel dazu. Den billigen DVD-Player habe ich irgendwann gar nicht mehr genutzt und schließlich verschenkt.
Ich nutzte die Zeit, um zu meiner jetzigen Anlage zu gelangen:

– Vollverstärker: Naim Audio SuperNait
– Phonovorverstärker: Trigon Advance
– Standlautsprecher: Cabasse Altura Bahia
– MiniDisc-Player: Sony JA 30 ES
– Plattenspieler: Clearaudio Performance
– Plattenspieler-Netzteil: Dr. Fuss
– Netzleiste: Supra
– Netzkabel: Audioplan Powercord S
– NF-Kabel: Chord, Audioquest, Tara Labs
– Digitalwandler (für Mac): Lindemann USB DDC
– Akustikpanele: Selbstbau (Basotect)
– Rack: Creaktiv
– Absorber: Blotevogel

Ich glaube, dass ich jetzt meine Traumanlage gefunden habe. Das trifft sich eh ganz gut, denn ich habe meinen Job gekündigt und mache jetzt mein Abi nach.
Da bleibt zum Schluss eigentlich nur noch eine Frage: Wie zum Teufel bezahle ich jetzt das Zusatznetzteil für meinen Naim SuperNait und wie erkläre ich meiner Freundin, dass ich mir unseren Urlaub nicht leisten kann?

Lieben Gruß
Hannes G. aus S.

P.S.: Ich möchte allen HiFi-Händlern dafür danken, dass sie mich ausgehalten und mir Mitleids-Preise angeboten haben. Danke Euch.